Damit im Mund alles am richtigen Platz ist
Die Klinik für Kieferorthopädie und Orthodontie
Was Kraft und Härte angeht, gehört das Gebiss zu den mächtigsten und effektivsten "Werkzeugen" des Menschen. Ist das Wechselspiel zwischen Zahn und Kiefer beispielsweise durch Fehlstellungen massiv gestört, ist dies ein Fall für den Fachzahnarzt. An der Klinik für Kieferorthopädie und Orthodontie des Universitätsklinikums Ulm widmet sich ein eingespieltes Ärzteteam der Behandlung von Zahn- und Kieferfehlstellungen. Auch Patienten aus Uni und Stadt sind dort willkommen.
Wenn im Mund nicht alles seinen rechten Platz hat, ist dies nicht nur ein ästhetisches Problem. Wie alle kieferorthopädischen Fachpraxen kümmert sich auch die Uniklinik für Kieferorhopädie und Orthodontie um die Behebung von Fehlstellungen von Kiefer und Zähnen - und das mit modernsten Behandlungs- und Diagnosemethoden. "Wir behandeln hier nicht nur komplizierte Fälle, sondern decken das gesamte Spektrum von Fehlstellungen aller Art ab", erklärt Professor Bernd Lapatki, Ärztlicher Direktor der Klinik.
Behandelt werden in der Klinik für Kieferorthopädie und Orthodontie Kinder, Jugendliche und Erwachsene - und zwar auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand. Zum Einsatz kommen dabei verschiedenste herausnehmbare oder festsitzende Zahnspangen. "Hier hat sich in den letzten Jahren unglaublich viel getan. Nicht nur bei den Materialien, sondern auch bei den Techniken", sagt Oberarzt Dr. Sebastian Rübel. Wer eine festsitzende Zahnspange braucht, muss nicht mehr - wie bei den klassischen Brackets - mit einer Menge Metall im Mund leben. Mittlerweile gibt es dezentere Lösungen aus zahnfarbener Keramik. Dazu kommen außerdem sogenannte Lingual-Brackets, die an den Zahninnenflächen befestigt werden, um weniger aufzufallen. Von diesem ästhetischen Vorteil profitieren insbesondere Erwachsene, bei denen Zahnspangen ja eher selten zum Erscheinungsbild gehören.
Dezente Lösungen bei Zahnfehlstellungen
Unauffällige Mini-Implantate zur Abstützung ersetzen mehr und mehr die Außenspangen, die über den Nacken fixiert keinen wirklich schönen Anblick bieten. Wer besonders häufig Zähne zeigen und auf sein Erscheinungsbild achten muss, profitiert besonders von sogenannten Alignern. Diese transparenten Zahnschienen sind eine gute Alternative zur festen Zahnspange, insbesondere wenn es um die Korrektur von engstehenden oder verdrehten Schneidezähnen geht. "Die Aligner-Therapie gehört zu den Hauptschwerpunkten unserer Klinik", so Oberarzt Dr. Fayez Elkholy, der sich in diesem Themenbereich habilitiert. Mit modernsten Bildgebungs- und Behandlungsmethoden ist die kieferorthopädische Uniklinik hier wissenschaftlich und technisch auf dem neuesten Stand.
Für die Diagnostik werden Kiefer und Zähne mit 3D-Scannern digital erfasst und vermessen. Dazu kommen 3D-Gesichtsscans, die dabei helfen, das Gesamtbild besser zu beurteilen. Alle Behandlungen werden dann im Team mit Oberärzten sowie dem Ärztlichen Direktor besprochen und geplant. Davon profitieren nicht nur die Patienten, sondern auch die angehenden Fachzahnärzte, die bei diesen Besprechungen mit dabei sind. "Als Uniklinik spielen wir natürlich eine zentrale Rolle bei der fachzahnärztlichen Ausbildung zum Kieferorthopäden", erläutert Oberärztin Dr. Johanna Radeke. Drei Jahre in Vollzeit muss ein Zahnarzt nach dem Studium für die fachspezifische Weiterbildung in die klinische Fachpraxis eintauchen.
Was an der Uni nur wenige wissen: "Auch Studierende und Uni-Mitarbeiter können sich hier behandeln lassen, und deren Kinder ebenfalls", ergänzt Klinikleiter Professor Lapatki. Dass man bei kieferorthopädischen Problemen einfach so an die Uniklinik kommen kann, und das ohne Überweisung, wissen auch in der Stadt nicht alle.
Besondere Patientengruppen profitieren von einer Spezialsprechstunde in der Klinik. Dazu gehören beispielsweise Musiker, die Blasinstrumente spielen. Wenn Zahnfehlstellungen oder Zahnersatz den Kontakt mit dem Mundstück stören, ist dies nicht nur ein musikalisches Problem, sondern kann auch zu schmerzhaften Überlastungen und dauerhaften Schäden im Mund- und Kieferbereich führen - mit besonders gravierenden Folgen für Berufsmusiker. Eine weitere Gruppe sind Patienten, die stark schnarchen und unter Schlafapnoe leiden. Nach der Abklärung im Schlaflabor können in solchen Fällen sogenannte Protrusionsschienen Abhilfe schaffen, mit deren Hilfe Unterkiefer und Zunge vorverlagert werden.
In Zusammenarbeit mit den Ärzten aus der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie kümmern sich die Kieferorthopäden zudem um die Rehabilitation von Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten und anderen angeborenen Fehlbildungen im Kieferbereich. Auch bei der Behandlung besonders gravierender Kieferfehlstellungen sind die Kieferorthopäden auf die Mithilfe der Chirurgen angewiesen. Vor dem eigentlichen chirurgischen Eingriff sorgen die Ärzte aus Lapatkis Team dafür, dass die Zähne der Betroffenen in die richtige Position gebracht werden. "Hier hat sich die enge Zusammenarbeit mit den Kollegen des Bundeswehrkrankenhauses bewährt, wo die OPs stattfinden", so Fachzahnärztin Dr. Elena Schramm, die die interdisziplinäre Sprechstunde betreut.
Praxisnähe und Teamarbeit werden in der Ausbildung groß geschrieben
Aber auch die studentische Lehre kommt an der Klinik nicht zu kurz. So absolvieren die Studieren- den der Zahnmedizin im klinischen Studienabschnitt auch Kurse zur Kieferorthopädie. Dazu gehören ein Technikkurs sowie zwei Behandlungskurse. Die angehenden Zahnärzte sollen dort mit den Grundlagen des Faches vertraut gemacht werden und kieferorthopädisches Grundwissen erwerben. Dabei kommen auch speziell entwickelte E-Learning-Angebote zum Einsatz. "Die Ausbildung unserer Studierenden ist außerdem sehr nah an der Praxis. Darauf legen wir besonders viel Wert", betont Klinikdirektor Lapatki. So haben die Studentinnen und Studenten in den Behandlungskursen die Möglichkeit, echte Patienten in Kleingruppen zu untersuchen, deren Therapie zu planen und bei diesen Patienten die eigens hergestellten - herausnehmbaren - Zahnspangen anzupassen. Und noch etwas lernen die Studentinnen und Studenten in dieser Klinik: "Die Kieferorthopädie verhilft vielen Betroffenen auch zu mehr Selbstbewusstsein und Lebensqualität, wenn beispielsweise eine Zahnfehlstellung behoben wird, die als persönlicher Makel oder als stigmatisierend empfunden wurde", ist der Leiter der Klinik für Kieferorthopädie und Orthodontie überzeugt.
Intelligente Zahnspange misst ihre eigene Wirkung
An der Klinik für Kieferorthopädie und Orthodontie forschen Zahnmediziner und Physiker in Kooperation mit dem Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg an der Entwicklung intelligenter Zahnspangen. Dafür werden Brackets mit Miniatursensoren ausgestattet, mit deren Hilfe die Druckverteilung und damit die biomechanische Wirkung auf Zähne und Kiefer telemetrisch erfasst werden können. Damit soll die Korrektur von Zahnfehlstellungen in Zukunft noch schonender und effektiver werden.
Wenn die Natur ihr Bestes getan hat, sitzen die Zähne im Kiefer in Reih und Glied. Tun sie das nicht - und der ein oder andere tanzt aus der Reihe - sorgen Zahnspangen dafür, dass wieder alles ins Lot kommt. Besonders wirkungsvoll sind dabei die sogenannten Brackets, die an der Zahnoberfläche befestigt und mit Drahtbögen miteinander verbunden sind. Diese Apparaturen dienen der therapeutischen Zahnbewegung und übertragen Kräfte und Drehmomente auf die Zähne. Dabei wird kontinuierlich ein gerichteter Druck auf den Zahnhalteapparat ausgeübt. Die Kunst - genauer gesagt die kieferorthopädische Könnerschaft - besteht nun darin, die Kraft- und Drehmomentvektoren so genau zu dosieren, dass die Spannungen zwischen Zahnwurzeln und Kiefer ausreichend groß sind, um den Zahn im Kiefer zu bewegen. Aber diese Spannungen sollten auch nicht zu groß sein, denn dauerhafte Folgeschäden wie Wurzelresorptionen müssen vermieden werden.
Um zu erfassen, welche der therapeutisch eingesetzten Kräfte wo genau wirken, haben die Forscher um Lapatki ein Messsystem entwickelt und patentiert, das in der Lage ist, Kraft- und Drehmomentvektor genau zu quantifizieren. Dafür werden die einzelnen Brackets mit einem Mikrosensor ausgestattet, der die Messergebnisse zur Auswertung telemetrisch weiterleitet. Nachdem die Realisierbarkeit des Projektes mit Hilfe numerischer Simulationen theoretisch geprüft wurde, konnten die Forscher reale Modelle mit unterschiedlichen Größen und Datenübertragungstechniken entwickeln. Kürzlich ist es dem Team erstmals gelungen, eine telemetrisch funktionierende Zahnspange in Originalgröße zu fertigen. Diese wird nun am Universitätsklinikum Ulm am Patienten erprobt. Schon jetzt können die Smart-Bracket-Sensoren als Feedback-Tool in der kieferorthopädischen Weiterbildung verwendet werden. "Wir versprechen uns davon außerdem wertvolle Erkenntnisse für die biomechanische Grundlagenforschung; nicht zuletzt mit dem Ziel, kieferorthopädische Therapien für den Patienten weiter zu optimieren", sagt Professor Bernd Lapatki, Ärztlicher Direktor der Ulmer Universitätsklinik für Kieferorthopädie und Orthodontie.
Text: Andrea Weber-Tuckermann
Fotos: Erich Püschel, Uniklinikum Ulm, 123R/Thammarat Sukwat